Ibuprofen
In den letzten Tagen verunsicherten Falschmeldungen vor allem in sozialen Medien viele Menschen. So stand beispielsweise Ibuprofen in Verdacht, schwere Verläufe von COVID-19 zu fördern.
Möglicherweise haben Sie selbst in der letzten Woche in einem sozialen Netzwerk, über eine WhatsApp-Gruppe o.ä. eine Nachricht erhalten, dass die Uniklinik Wien aufgrund von Auswertungen italienischer Daten zu dem Schluss gekommen sei, dass das schmerzstillende, fiebersenkende und stark antientzündlich wirkende Ibuprofen zu schwereren Verläufen einer SARS-CoV-2-Infektion führen würde und von der Einnahme in dieser Situation abrät. Die Medizinische Universität Wien dementierte diese Nachricht am 14.03.2020. Umso überraschender waren sowohl eine Stellungnahme des französischen Gesundheitsministers Olivier Véran als auch des WHO-Sprechers Christian Lindmeier anlässlich einer Pressekonferenz in Genf, die diese Warnung wiederholten. Wir haben Herrn Lindmeier daraufhin am 17.03.2020 angeschrieben. Seine Antwort vom 18.03.2020 lautete im Originaltext:
„In der Tat ist die Quellenlage sehr maessig. Diese Pressenotiz auf Deutsch fasst den Kommentar heute am Besten zusammen: Der Hauptpunkt war hier die ‚self-medication‘ , die Einnahme ohne medizinische Konsultation.
Genf (AFP) – Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät bei Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion von der Einnahme von Ibuprofen ohne ärztlichen Rat ab. Die WHO-Experten prüften derzeit die Auswirkungen des entzündungshemmenden Medikaments, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier am Dienstag vor Journalisten in Genf. ‚In der Zwischenzeit raten wir, eher Paracetamol als Ibuprofen zu nehmen.‘ Dies gelte jedoch nur für die Einnahme ohne ärztlichen Rat, betonte er.
Am Wochenende hatte der im Kurzbotschaftendienst Twitter gewarnt, entzündungshemmende Medikamente wie Ibuprofen könnten die Symptome der Lungenkrankheit Covid-19 verschlimmern. Er riet stattdessen zur Einnahme von Paracetamol. Zuvor hatte die medizinische Fachzeitschrift ‚The Lancet‘ einen Beitrag veröffentlicht, wonach Entzündungshemmer den Krankheitsverlauf von Covid-19 verschlimmern könnten.”
Tatsächlich handelt es sich bei der zitierten Veröffentlichung im Lancet um eine einseitige sogenannte „Correspondence“, einer wissenschaftlichen Zuschrift, nicht um eine Studie mit eigens erhobenen wissenschaftlichen Daten. Im Beitrag wird korrekt dargestellt, dass Ibuprofen neben seinen zahlreichen erwünschten medikamentösen Wirkungen, die Zahl der o.g. ACE2-Rezeptoren, den Andockstellen für das SARS-CoV-2-Virus, erhöht. Es werden verschiedene mögliche Wechselwirkungen zwischen einem Bluthochdruck, Diabetes mellitus und der Virusinfektion dargestellt, bei denen der ACE2-Rezeptor von Bedeutung ist. Es ist auch vorstellbar, dass Ibuprofen aufgrund seiner antientzündlichen Wirkung auch das Immunsystem und somit auch die natürliche Virenabwehr und -vernichtung beeinflusst. Zu keinem Zeitpunkt empfahlen die Autoren jedoch einen bewussten Verzicht auf Ibuprofen. Dies wurde nochmals durch einen der Autoren, Prof. Dr. Michael Roth-Chiarello, Departement Biomedizin, Universitätsspital Basel, in einer separaten Mitteilung hervorgehoben.
Fazit
Die WHO hat sich mittlerweile in einer Twitter-Mitteilung klar positioniert: „Auf der Basis der derzeit verfügbaren Informationen erteilt die WHO keine Empfehlung gegen die Anwendung von Ibuprofen im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion.“
(Stand: 24.03.2020)