Objektiver Tagesbedarf urologischer Hilfsmittel bei neurogener Blasenfunktionsstörung
Multicenterstudie an 767 Patienten
BG Klinikum Hamburg
BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin
BG Klinikum Duisburg
01.05.2022
R. Böthig, B. Domurath, J. Kutzenberger, J. Bremer et al.
Was bisher bekannt ist
Ein wesentlicher Teil der neuro-urologischen Behandlung einer neurogenen Dysfunktion der unteren Harnwege (NLUTD) ist die Entwicklung eines individuellen Blasenmanagements. Dies erfordert neben der sorgfältigen video-urodynamischen Evaluation der Blasenfunktion (UDS) auch die Berücksichtigung aller Aspekte der neurologischen Schädigung (insbesondere der manuellen Funktion) sowie der Wünsche der Betroffenen und ihres sozialen Umfeldes. Aus neuro-urologischer Sicht liegt der Schwerpunkt auf der Festlegung eines adäquaten Entleerungsregimes und (in den meisten Fällen) der Sicherstellung einer Niederdruck-Speicherfunktion der Harnblase. Verschiedene Entleerungsstrategien wie der intermittierende Katheterismus mittels Einwegkatheter, die getriggerte Reflexentleerung, die Implantat-gesteuerte Miktion mittels sakraler anteriorer Wurzelstimulation oder auch die transurethrale/suprapubische Dauerkatheterisierung der Blase müssen an die individuelle Pathophysiologie angepasst werden. Für ein günstiges Langzeitresultat mit niedriger Komplikationsrate und hoher Lebensqualität muss eine ausreichende Menge hochwertiger urologischer Hilfsmittel bereitgestellt werden. Bislang gibt es nur wenige Untersuchungen zum individuellen Entleerungsmodus, der Anzahl der Blasenentleerungen pro Tag und dem hieraus resultierenden Hilfsmittelbedarf im ambulanten Szenario. Dies führt nicht selten
zu Unsicherheiten auf Seiten der Kostenträger und Konflikten bis hin zu gerichtlichen Streitfällen mit den Betroffenen. Ziel dieser Studie war die Erfassung der Art und Häufigkeit der Blasenentleerung bei ambulanten Patientinnen und Patienten mit NLUTD mittels eines standardisierten Fragebogens, um die realistische Menge urologischer Hilfsmittel zu definieren.
Studiendesign und Resultate
An dieser multizentrischen Untersuchung beteiligten sich sechs deutsche Kliniken mit ausgewiesener Expertise und Schwerpunkt in der Versorgung Querschnittgelähmter. Eingeschlossen wurden die Daten von 767 Teilnehmenden (Geschlechterverhältnis männlich : weiblich 2,5 : 1, mittleres Alter 51 (Spanne 2 – 87 Jahre)). Eine traumatische Ursache lag in 90 % der Fälle vor. Die größte Gruppe der 608 intermittierende Katheterisierung mit und ohne additive Methoden Praktizierenden verbrauchten im Mittel 5,1 (SD 1,7) Einmalkatheter pro Tag. Zusätzlich benötigten 94 (16 %) Vorlagen, 34 (6 %) Pants und 46 (8 %) Kondomkatheter. Vorlagen und Pants wurden von 126 (16 %) und 51 (7 %) Teilnehmenden verwendet.
Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken
Unter der Annahme einer doppelten Standardabweichung vom Mittelwert als Maß für den objektiven Hilfsmittelbedarf benötigen Erwachsene mit NLUTD täglich 1 bis 9 Einmalkatheter, 0 bis 7 Kondomurinale, 1 bis 9 Vorlagen und 0 bis 7 Pants. Eine Mischversorgung mit unterschiedlichen Inkontinenzhilfsmitteln ist für viele Betroffene Alltag und muss ebenso berücksichtigt werden.
Über diesen Artikel
R. Böthig
BG Klinikum HamburgB. Domurath
J. Kutzenberger
J. Bremer
I. Kurze
A. Kaufmann
J. Pretzer
BG Klinikum Unfallkrankenhaus BerlinJ.P. Klask
B. Kowald
BG Klinikum HamburgC. Tiburtius
BG Klinikum HamburgK. Golka
S. Hirschfeld
BG Klinikum HamburgR. Thietje
BG Klinikum HamburgThe Real Daily Need for Incontinence Aids and Appliances in Patients with Neurogenic Bladder Dysfunction in a Community Setting in Germany. J Multidiscip Healthc. 2020 Feb 27;13:217-223. doi: 10.2147/JMDH.S241423. PMID: 32161466; PMCID: PMC7051804.