Diagnostische Genauigkeit des Serum-Biomarkers Azurocidin 1 (AZU 1) zur Detektion von Infektionen des Bewegungsapparates

Ergebnisse einer vergleichenden prospektiven Studie

 

BG Klinik Tübingen

24.05.2024

P. Hemmann, L. Kloppenburg, R. Breinbauer, S. Ehnert et al.

doi: 10.17179/excli2023-6705.PMID: 38357095; PMCID: PMC10864703.

 

Bild vergrößern

Was bisher bekannt ist

Neben der radiologischen Bildgebung (insbesondere mittels CT und MRT) tragen moderne laborchemische und molekularbiologische Parameter dazu bei, bakterielle Infektionen von (künstlichen) Gelenken, des Knochens und ihres umgebenden Weichteilmantels frühzeitig zu erkennen und differenzierte Therapieentscheidungen zu treffen.
Azurocidin 1 (AZU 1), auch bekannt als „cationic antimicrobial protein (CAP37)“ oder Heparin-bindendes Protein (HBP), findet sich in speziellen Lysosomen neutrophiler Granulozyten (den Verdauungsorganismen weißer Blutkörperchen) und vermittelt die Abwehr von krankheitsauslösenden Mikroorganismen. Klinische Daten legen nahe, dass AZU 1 frühzeitig eine Sepsis im Szenario der Intensivtherapie signalisieren könnte. Es existieren bisher nur unzureichende Informationen über den diagnostischen Nutzen dieses modernen Biomarkers im Kontext von Gelenk-, Knochen- und Weichteilinfektionen.

Studiendesign und Resultate

Zwischen Juli 2020 und August 2023 wurden 222 stationäre Patientinnen und Patienten mit Implantat-assoziierten und Weichteilinfektionen (n = 157) sowie solche, welche sich einer elektiven Hüft- und Kniegelenk-Endoprothesenimplantation (n = 33) unterzogen oder wegen einer Fraktur behandelt wurden (n = 32) in eine Studie zur prospektiven Validierung von AZU 1 als potenziellem Biomarker für die Erkennung von Infektionen des Bewegungsapparates eingeschlossen. Die Stichprobe umfasste 132 Männer und 90 Frauen mit einem mittleren Alter von 55 (SD 15) Jahren.
Die mittleren AZU 1 Konzentrationen waren im Falle einer Infektion merklich erhöht (56,1 [SD 61,8] versus 40,7 [SD 52,4] ng / ml, Mittelwertdifferenz 15,4, 95 % Konfidenzintervall -1,9 – 32,6), auch wenn der Effekt noch mit dem Zufall vereinbar war (t-Test bei ungleicher Varianz, p = 0,062). Die Effektstärke d erwies sich mit 0,26 als von eher geringer klinischer Relevanz. 
Die Receiver Operating Characteristics (ROC) aus der Nachberechnung für BG Kliniken Forschung Kompakt unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher Auswahlkriterien der Daten und Journal-Vorgaben etwas von denjenigen der Originalpublikation – es wurde hier die gesamte Informationsbandbreite genutzt. Ein AZU 1 Wert < 5 ng / ml schließt mit einer Sensitivität von 94 % eine Infektion aus, und beweist ab einem Wert von > 165 ng / ml einer Spezifität von 95 % eine Infektion. Der Test auf AZU 1 allein ist gleichwertig zu einer Kombination aus C-reaktivem Protein (CRP), dem weißen Blutbild, Procalcitonin und alpha-Defensin, und erhöht bei zusätzlicher Bestimmung die erklärte Varianz zur Detektion einer Infektion des Bewegungsapparates um etwa 4 %.

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

AZU 1 könnte das laborchemische Spektrum für die Erkennung oder den Ausschluss von Knochen-, Gelenk- und Weichteilinfektionen bereichern. Insgesamt erwiesen sich aber alle untersuchten Parameter als unzureichend genau, um aus ihnen allein eine verlässliche Diagnose ableiten zu können. Daher müssen unverändert die klinische Vortest-Wahrscheinlichkeit für oder gegen die Annahme einer Infektion, bildgebende Methoden und das gesamte Spektrum von Labortests berücksichtigt werden, um informierte Therapieentscheidungen im Sinne der Betroffenen treffen zu können.