Sofortige postoperative Belastung dank Cerclage

Der Einsatz einer zusätzlichen Cerclage erhöht die Konstruktstabilität einer Plattenosteosynthese nach einer Spiralfraktur der distalen Tibia

 

 

 

BG Unfallklinik Murnau

15.08.2022

S. Sandriesser, S. Förch, E. Mayr, F. Schrödl et al.

doi: 10.1007/s00068-020-01503-0

 

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Was bisher bekannt ist

Spiralbrüche der distalen Tibia stellen mit einem Anteil von 34 % den häufigsten Typ dieser Fraktur der langen Röhrenknochen dar. Nach operativer Stabilisierung mittels winkelstabiler Plattenosteosynthese wird eine Teilbelastung empfohlen, welche in der Alterstraumatologie oftmals nicht umgesetzt werden kann. Das Implantat muss eine ausreichend hohe Stabilität bieten, um Scherbewegungen in der Frakturzone zu minimieren und den Heilungsprozess zu unterstützen. Eine Möglichkeit, die Konstruktstabilität zu erhöhen und somit eine frühzeitige Mobilisierung zu ermöglichen, ist eine zusätzliche Kabel-Cerclage.
 

Studiendesign und Resultate

In dieser biomechanischen Studie wurde am künstlichen Knochenmodell eine reproduzierbare Spiralfraktur der distalen Tibia erzeugt und mittels winkelstabiler Plattenosteosynthese versorgt. In einer Gruppe wurde die reine Plattenosteosynthese getestet, in einer zweiten Gruppe wurde zusätzlich eine Kabel-Cerclage um die Frakturzone geschlungen. In einem physiologischen Versuchsaufbau wurden die Proben unter klinisch relevanten Teil- und Vollbelastungen (20 kg und 75 kg) geprüft. Durch eine kombinierte Axial- und Torsionslast konnten die beim Gehen auftretenden Kräfte nachgebildet werden. Mit Hilfe eines optischen Kameramesssystems wurden die resultierenden Bewegungen im Frakturspalt und auch die Axialsteifigkeit ermittelt.
Eine zusätzliche Kabel-Cerclage erhöhte die Axialsteifigkeit um 193 % (2882 ± 739 N/mm vs. 983 ± 355 N/mm, p < 0,001). Unter Teilbelastung wurden bei reiner Plattenosteosynthese Scherbewegungen von 0,6 ± 0,1 mm gemessen. Diese erhöhten sich unter Vollbelastung um 250 % auf 2,1 ± 0,7 mm (p = 0,001). Eine zusätzliche Kabel-Cerclage reduzierte die Scherbewegungen sowohl unter Teil- als auch Vollbelastung (p = 0,001). Unter dynamischen Lastbedingungen stieg die axiale Bewegung im Frakturspalt auf 2,5 +- 0,9 mm. Mit einer zusätzlichen Cerclage konnte die Bewegung auf 1 mm reduziert werden (p = 0,005).
 

Bedeutung für die klinische Versorgung und Forschung in den BG Kliniken

Die additive Kabel-Cerclage ermöglicht bei winkelstabiler Plattenosteosynthese von Spiralfrakturen der distalen Tibia aus biomechanischer Sicht eine frühzeitige Mobilisierung mit sofortiger postoperativer Vollbelastung. Davon könnten insbesondere hochbetagte Verletzte profitieren. Cerclagen können aber auch die Durchblutung der Knochenhaut (Periost) und damit die Knochenheilung beeinträchtigen. Klinische Studien müssen belegen, ob im hier untersuchten Szenario die günstigen biomechanischen Eigenschaften einer additiven Cerclage die Rehabilitationsdauer verkürzt, ohne die klinische und radiologische Knochenheilung zu beeinträchtigen.