Beckenfraktur im Alter – Unfallchirurgen suchen in Zellen nach den Ursachen

Unfallchirurgen des Bergmannstrost untersuchen in einem Forschungsprojekt den Zusammenhang zwischen osteoporotischen Beckenbrüchen im Alter, Muskelschwund und unerkannten Tumoren.  Das Projekt wird mit 308.000€ von der Dr. Rurainski Stiftung gefördert.

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13.07.2022

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Christian Malordy

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Mit zunehmendem Alter nimmt die Knochendichte ab, eine Osteoporose-Erkrankung beschleunigt diesen Prozess und die Knochen verlieren stetig an Festigkeit. In der Folge können vor allem Wirbel, Becken und Oberschenkelhalsknochen schon bei leichten Belastungen brechen. Unfallchirurginnen und Unfallchirurgen am BG Klinikum Bergmannstrost Halle untersuchen jetzt, was genau hinter dem plötzlichen Versagen der Knochenstruktur speziell im Becken steckt. Denn, so der Verdacht, unerkannte Tumorzellen könnten ebenso eine Rolle spielen wie der Abbau des stabilisierend wirkenden Muskelgewebes im Umfeld des Beckens. Gefördert wird das auf drei Jahre angelegte Projekt von der Dr. Rurainski Stiftung mit 308.000€.

Ausgangspunkt

 „Wir wissen um die stabilisierende Funktion von Muskeln für das Becken und vermuten einen Zusammenhang zwischen den osteoporotischen Knochenschwund sowie Sarkopenie, also Muskelschwund. Es gibt bislang jedoch keine Untersuchungen, die die knöcherne und muskuläre Mikrostruktur auf zellulärer Ebene hinsichtlich ihrer Beschaffenheit analysiert und eine mögliche Korrelation geprüft haben“, erklärt Unfallchirurgin und Projektleiterin Dr. med. Friederike Klauke. Eine weitere mögliche Ursache für altersbedingte Beckenbrüche könnten Tumorzellen im Knochen aufgrund einer nicht erkannten Krebserkrankung  sein, so PD Dr. Thomas Mendel, zweiter Projektleiter und Stellvertretender Chefarzt die Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie: „Auch maligne Zellen führen zu einer Strukturveränderung des Knochens, die eine Fraktur zur Folge haben kann. Eine rein klinische und radiologische Unterscheidung ist zumeist nicht möglich, sodass das Risiko der Fehlinterpretation besteht. Für den Patienten bedeutet das, dass die tumoröse Grunderkrankung weiter unentdeckt bleibt und die Therapie der Beckenfraktur versagt.“

Ziele des Projektes

Ziel des auf drei Jahre angelegten Forschungsprojektes ist es deshalb, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachbereichen Grundlagenwissen zur Pathologie der altersbedingten Beckenbrüche zu erlangen und eine detaillierte Beschreibung der beteiligten Knochen- und Muskelzellen zu erhalten. Darauf aufbauend soll der Zusammenhang zwischen Tumorleiden, Osteoporose und Sarkopenie untersucht werden.

Herangehensweise

Für die Gewinnung der notwenigen Daten entnehmen die Unfallchirurgen bei Patienten mit Osteoporose-bedingten Beckenbrüchen Proben aus dem Beckenknochen und dem umgebenden Muskelgewebe. „Diese Entnahme erfolgt im Zuge der regulären operativen Behandlung der Fraktur, sodass kein zusätzlicher Eingriff notwendig ist“, so Dr. Klauke.  Anschließend wird das Knochen- und Muskelgewebe labormedizinisch und histopathologisch ausgewertet: Unter anderem werden die Proben auf die Existenz und das Ausmaß von Tumorzellen, knochenabbauenden- und knochenaufbauenden Zellen, Muskelzellen sowie dem Fettanteil in Muskel und Knochen untersucht. Zusätzlich nutzen die Unfallchirurgen die ebenfalls reguläre klinische Diagnostik mittels MRT und CT, um Knochendichte und Fettgehalt des Beckenknochens messen zu können. Für letzteres kommt eine spezielle Software zum Einsatz: „Damit wir Fett in Knochen und Muskelgewebe quantitativ messbar machen können, erfolgt die MRT-Untersuchung in Spezialsequenzen. Dies ist eine hochspezifische Fettmessung, für die eine eigenes für das Projekt angeschaffte Software zum Einsatz kommt.“

Klinischer Nutzen

Von den Ergebnissen ihrer Arbeit erhoffen sich Klauke und Mendel zum einen die Entwicklung diagnostischer Standards und die Verbesserung der diagnostischen Trennschärfe zwischen den möglichen Ursachen einer altersbedingten Beckenfraktur. Zudem versprechen sich die Unfallchirurgen ein besseres Verständnis für altersbedingte Beckenbrüche und daraus abgeleitet neue und optimierte Therapieansätze. „Wenn sich unsere Vermutung bestätigt, dass Muskel- und Knochenschwund miteinander korrelieren, müsste man zum Beispiel über einen ganz gezielten Muskelaufbau der Patienten, womöglich auch unterstützt durch Medikamente nachdenken.“


Titel der Forschungsprojektes:

Pathohistologische und molekularbiologische Untersuchungen zur Inzidenz okkulter maligner Grundleiden als differenzialdiagnostische Ursache für Insuffizienzfrakturen des Os sacrum bei geriatrischen Patienten in Abgrenzung zur Osteoporose
Kurztitel: okkulte Malignome als Ursache geriatrischer Sakrumfrakturen (oMaGeSa)

Kooperationspartner:

  • Institut für Rechtsmedizin Sektion Pathologie der Universitätskliniken Jena
  • Experimentelle Unfallchirurgie der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universitätskliniken Jena

 

Abbildung: 3-D-Darstellung eines osteoporotischen Knochenstücks. Die Probe wurde einem Beckenknochen entnommen und ist ca. 2 cm lang.