Das 2018 eingeführte Mutterschutzgesetz wurde inhaltlich maßgeblich von der DGOU-Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) geprägt. Diese hatte zuvor auf die häufigen Pauschalverbote von Weiterbeschäftigungen für schwangere Chirurginnen aufmerksam gemacht. Besser sollte es mit der neuen Risikoeinschätzung funktionieren, die individuell die Gefahren am Arbeitsplatz einstuft.
Wie dies in der Praxis funktioniert, erklärt Dagmar Husert: „Sobald die Schwangerschaft öffentlich gemacht wurde, muss die Schwangere zusammen mit ihrer Führungskraft eine individuelle Gefährdungsbeurteilung in Form eines Fragenkatalogs ausfüllen – und zwar so, wie der Arbeitsplatz vor der Schwangerschaft gelebt wurde.“
Der Fragenkatalog selbst ist dabei nicht bereichsspezifisch. Er umfasst daher Aspekte wie Arbeits- und Ruhezeiten, Arbeitstempo, Nachtarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen, Akkordarbeit, körperliche Belastung und die Gefährdung durch Bio- und Gefahrstoffe. „Wird jedoch auch nur eine Frage mit ‚ja‘ angekreuzt, müssen daraus Konsequenzen folgen. Es darf keine ‚unverantwortbare Gefährdung‘ bestehen“, zitiert Frau Husert das Gesetz und ergänzt: „In dem Fall wird bei den Schutzmaßnahmen eine Arbeitsplatzumgestaltung vorgenommen. Häufig können wir Mitarbeitenden damit am Arbeitsplatz halten. Manchmal gehört dazu auch der Wechsel in einen administrativen Bereich.“
Für Dr. Eggeling gab es bei der Beurteilung einige Besonderheiten: „Grundsätzlich gibt es im OP viele potenzielle Gefahrenquellen. Für mein Fachgebiet, die arthroskopische Chirurgie, ist das Risiko aber deutlich minimiert. Wir operieren meist minimalinvasiv, mit längeren Instrumenten. Das Risiko einer Nadelstichverletzung ist eher gering. Unsere Operationen sind zudem alle planbar, da wir keine Notfallpatienten haben.“
Um im OP weiter zu operieren, macht sie sich genaue Gedanken, welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind. So führt sie nur kürzere OPs und Eingriffe ohne Risikofaktoren wie Röntgen oder Narkosegasen durch. Die Patienten sind vor der OP zudem auf HIV und Hepatitis C getestet. Um den Stress im Alltag zu reduzieren, wird die Anzahl der Sprechstundenpatienten herabgesetzt. Für alle Fälle hat sie ein Backup in Form einer Zweitbesetzung.
All dies wurde in einem gemeinsamen Abstimmungsprozess mit ihrer Führungskraft, der Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit sowie mit Zustimmung des Betriebsrats umgesetzt und ermöglichte das, was sich viele Chirurginnen wünschen: „Ich konnte so bis zum 8. Monat weiterarbeiten. Danach, nach der Geburt und dem Mutterschutz, habe ich von Zuhause gearbeitet und Befunde ausgewertet, digitale Sprechstunde geführt oder Arztbriefe geschrieben – also alles Dinge, um das Team zu entlasten. Ich merke jetzt nach meiner Rückkehr, wie gut es ist, dass ich keine lange Latenzphase hatte und nicht aus der Übung gekommen bin.“