Neue Ärztliche Leitung für den Murnauer Rettungshubschrauber
Dr. Raphael Bender und sein Stellvertreter Dr. Christoph Erichsen übernehmen die Ärztliche Leitung für den Murnauer Rettungshubschrauber. Beide verfügen bereits über viele Jahre Berufserfahrung in der Luftrettung.
Infos zur Pressemitteilung
20.05.2021Seit Oktober 1994 ist mit dem Intensivtransporthubschrauber „Christoph Murnau“ ein hoch modernes Rettungsmittel dauerhaft an der BG Unfallklinik Murnau stationiert, der alleine im vergangenen Jahr 1140 Einsätze geflogen ist. Sein Einsatzspektrum erstreckt sich vom Intensivtransport über primäre Rettungseinsätze im Einzugsgebiet Oberland und Bergrettungsmissionen mit Einsatz der Rettungswinde. Der Intensivtransporthubschrauber stellt somit einen unverzichtbaren Eckpfeiler im Bereich des Intensivtransports und der Notfallrettung südlich von München und oftmals weit über die Grenzen des Oberlandes hinaus dar.
Seit Beginn der Stationierung eines Hubschraubers im Jahr 1994 war der Leitende Arzt Dr. Thomas van Bömmel für die Murnauer Besatzung verantwortlich. Bis zum heutigen Tag flog das Team rund 25.000 Rettungseinsätze, er selbst war in dieser Zeit circa 1.600 Mal mit an Bord des Hubschraubers. Im Jahr 1999 begleitete Dr. van Bömmel die dauerhafte Stationierung des ADAC Rettungshubschraubers am Murnauer Traumazentrum. Seitdem ist die Hubschrauberstation im öffentlich- rechtlichen Rettungsdienst eingebunden. Zusammen mit seinem Team koordinierte er die Einführung der Rettung mit Winde und war in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen Schnittstelle zu wichtigen Kooperationspartnern wie der Bergwacht und den Rettungsleitstellen. Dabei betont Dr. van Bömmel, dass die Murnauer Luftrettungsstation immer als Team betrachtet werden muss, in dem jedes Mitglied individuelle Kompetenzen vorhält und damit einen maßgeblichen Beitrag zur erfolgreichen Rettung leistet. Die Arbeit auf Augenhöhe in einer gut strukturierten Mannschaft war ihm immer ein besonderes Anliegen. Nun übergibt der erfahrene Hubschraubernotarzt den Staffelstab an seinen ärztlichen Kollegen Dr. Raphael Bender und dessen Stellvertreter Dr. Christoph Erichsen, die beide bereits über viele Jahre Berufserfahrung in der Luftrettung verfügen.
Lieber Herr Dr. Bender, lieber Herr Dr. Erichsen, herzlichen Glückwunsch zur Übernahme der Ärztlichen Leitung des Murnauer Luftrettungsteams!
Wie kamen Sie dazu, Hubschraubernotarzt zu werden und welche Ausbildung benötigt man heutzutage, um in der Luftrettung tätig zu sein?
Bender: Die Notfallmedizin war für mich schon zu Beginn meines Medizinstudiums, während dem ich in meiner Freizeit bereits als Rettungssanitäter tätig war, ein starker Impulsgeber und in all den Jahren immer motivierender Begleiter meines gesamten ärztlichen Werdegangs. Seit 2004 bin ich ununterbrochen notärztlich im Rettungsdienst aktiv. Bereits bevor ich 2016 nach Murnau kam, war ich am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm von 2010 bis 2016 auf dem Rettungshubschrauber „Christoph 22“ eingesetzt.
Erichsen: Das Interesse an der Notfallmedizin wurde bei mir durch meine Tätigkeit als Zivildienstleistender beim Deutschen Roten Kreuz geweckt. Bevor ich 2017 meine Tätigkeit als Hubschraubernotarzt begonnen habe, habe ich bereits Erfahrung bei über 600 bodengebundenen Einsätzen als Notarzt gesammelt. Seit dem Beginn meiner Tätigkeit 2010 an der BG Unfallklinik Murnau war es einer meiner Ziele, als Hubschraubernotarzt tätig zu sein. Die Zusammenarbeit in einem hochprofessionellen Team und die komplexen Einsätze in der Luftrettung mit den damit verbundenen Herausforderungen haben mich schon immer fasziniert.
Die Notfallmedizin hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten von einer „ärztlichen Nebenaufgabe“ immer mehr zu einem eigenständigen und anspruchsvollen Fach weiterentwickelt. Komplexe Therapien bei zeitkritischen Notfällen und schweren Verletzungen der Patienten direkt an die Einsatzstelle zu bringen, macht die Aufgabe anspruchsvoll und spannend.
Für die Tätigkeit als Hubschraubernotarzt braucht es neben der „Zusatzbezeichnung Notfallmedizin“ eine mehrjährige Erfahrung im bodengebundenen Notarztdienst und in der klinischen Akut- und Intensivmedizin. Auf unserer Luftrettungsstation kommt wegen des Einsatzspektrums ein zertifizierter Intensivtransportkurs sowie eine Spezialausbildung zur Windenrettung im alpinen Gelände dazu.
Welche körperlichen Voraussetzungen muss die Rettungscrew für ihre Einsätze erfüllen?
Normales Körpergewicht, eine gute Kondition und körperliche Fitness sind absolute Grundvoraussetzungen für den Einsatz auf dem Hubschrauber. Gerade an den langen Tagen in den Sommermonaten bei hohen Temperaturen und vielen Einsätzen sind wir körperlich gefordert. Es kommt durchaus vor, dass wir nicht direkt an der Einsatzstelle landen können und unsere Notfallrucksäcke auch mal einige Hundert Meter im Laufschritt tragen müssen. Auch die kinetischen Einflüsse auf den Körper durch das Fliegen an sich stellen eine körperliche Belastung dar. Vor dem Beginn der Tätigkeit auf dem Rettungshubschrauber muss sich jede Notärztin und jeder Notarzt einer flugmedizinischen Untersuchung unterziehen.
Weiterhin sind bergsteigerisch-technische Grundkenntnisse und das sichere Bewegen in alpinem Absturzgelände zu jeder Jahreszeit unabdingbar bei unseren Windeneinsätzen.
Wie bereitet sich das Team auf die auch teilweise sehr anspruchsvollen Einsätze vor?
Neben der regelmäßigen notfallmedizinischen Fortbildung in Theorie und Praxis trainieren wir die Spezialrettungsverfahren mit der Rettungswinde jährlich im Zentrum für Ausbildung und Sicherheit der Bergwacht Bayern in Bad Tölz, sowie bei Realwindentrainings am Berg. Hier nimmt auch medizinisches Simulationstraining immer einen festen Platz ein. Quartalsweise Teamtreffen mit fachlichen Kurzfortbildungen und Diskussionen runden das Training ab.
Welche Besonderheiten halten Sie in Murnau vor und was zeichnet den Standort besonders aus im Vergleich zu anderen Luftrettungsstationen?
Wie bereits erwähnt reicht unser Einsatzauftrag vom komplexen Langstreckenintensivtransport über das „normale“ notfallmedizinische Geschäft mit lebensbedrohlichen Erkrankungen oder schweren Verletzungen bis zur Rettung aus Bergnot. Um dieses breite Spektrum abdecken zu können verfügen wir über einen sehr leistungsstarken Hubschraubertyp (Airbus Helicopters H145) mit einem vergleichsweise großen Raumangebot in der Kabine sowie ein hochspezialisiertes Viererteam (Pilot, Bordtechniker/Windenoperator, Notfallsanitäter und Notarzt). Wir sind innerhalb der ADAC-Luftrettung der Standort mit der größten Erfahrung und den meisten jährlichen Spezialeinsätzen mit der Rettungswinde – Tendenz steigend.
Wie sieht ein typischer Tag für das Team des Christoph Murnau aus?
Unser Tag beginnt bei Sonnenaufgang mit den Vorbereitungen an Hubschrauber und Material. Dazu gehören der Check der persönlichen Schutzausrüstung und der Medizingeräte, die technische Vorflugkontrolle des Hubschraubers und das Überprüfen der aktuellen Wetter- und Lawinenverhältnisse. Nach einem Teambriefing melden wir uns dann spätestens um 7 Uhr bei der Integrierten Leitstelle Oberland und der KITH (Koordinierungszentrale für Intensivtransporthubschrauber) an und beginnen den Tag mit einem gemeinsamen Frühstück. Per Funkalarmierung werden wir dann bis Sonnenuntergang zu unseren Einsätzen disponiert. Innerhalb von 120 Sekunden nach Alarm sind wir in der Luft. Die Einsatzzahlen liegen je nach Jahreszeit, Tageslänge und Wetter zwischen 2 und 10 Einsätzen täglich. Zwischen den Einsätzen müssen wir natürlich dokumentieren und es stehen verschiedene Routineaufgaben wie Desinfektionen und Materialkontrollen an. Psychisch belastende oder sehr komplexe, außergewöhnliche Einsätze werden grundsätzlich im Team nachbesprochen. Meist bleibt uns im Tagesverlauf auch noch Zeit für kollegiale Gespräche oder ein kurzes Spiel am Tischkicker. Nach Sonnenuntergang wird die Maschine geputzt, aufgeräumt und der Tag gemeinsam nachbesprochen, bevor dann alle in den Feierabend gehen.
Wie wirkte sich die Pandemie auf den Alltag und den Aufgabenbereich des Hubschrauberteams aus?
Die Coronapandemie hat zu Beginn des letzten Jahres wie überall in unserer Klinik zunächst für ein gewisses Maß an Unsicherheit und Unruhe gesorgt. Auch auf unserer Luftrettungsstation mussten wir uns gemeinsam mit dem ADAC zunächst bei unklarem Lagebild um Engpässe bei der persönlichen Schutzausrüstung und die Entwicklung von sicheren Verfahren zu Versorgung und Transport von COVID-19-Patienten kümmern. Mittlerweile ist der Umgang mit dem Thema unaufgeregt und professionell. Wir sind froh sagen zu können, dass unser Hubschrauber stets uneingeschränkt einsatzfähig war und das Team gesund durch die letzten Monate gekommen ist. Mittlerweile schauen wir auch auf eine nicht unerhebliche Anzahl an Intensivtransporten von beatmeten COVID-19-Patiententen zurück. Teils über lange Strecken aus überlasteten Gebieten in andere Bereiche des Landes mit noch freien Intensivbetten.
Eine weitere Besonderheit in diesem Zusammenhang ist die Kommunikation während des Fluges. Im Hubschrauber ist sie nur über eine Intercom-Anlage mit im Helm integrierten Mikrophonen und Kopfhörern möglich. Mit einer FFP-2/3-Maske gestaltet sich das nicht ganz so einfach, sodass wir alle froh sind, wenn in absehbarer Zeit wieder Normalität einkehrt.
Wie in allen Rettungsdienstbereichen ist die Gesamtzahl der Einsätze während des letzten Jahres um etwa 10-20% zurückgegangen. Im Winterhalbjahr haben wir allerdings ein deutliches Plus an Windeneinsätzen verzeichnet, da viele Wintersportler von den gesicherten Pisten ins Gelände wechselten.
Lieber Herr Dr. Bender, lieber Herr Dr. Erichsen, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen für die neue und sehr anspruchsvolle Aufgabe alles Gute und immer eine Handbreit Luft unter den Kufen.