"Sport ist immer in meinem Leben gewesen"
Zum 10-jährigen Jubiläum: Edina Müller im Interview über den Leistungssport und Beruf als Sporttherapeutin am BG Klinikum Hamburg.
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26.01.2023Sie haben noch weitere Fragen?
Vor einigen Wochen feierte unsere Sporttherapeutin Edina Müller ihr 10-jähriges Dienstjubiläum. Wie sie den täglichen Spagat zwischen Arbeit, Leistungssport und Familie meistert und was der Sport für sie, ihren Beruf sowie unsere Patientinnen und Patienten bedeutet, verrät sie im Interview.
Edina, am 01.11.2022 feiertest du dein 10-jähriges Dienstjubiläum in unserer Sporttherapie. Lass uns einmal an den Anfang zurückgehen: Wie kamst du zu uns nach Boberg?
Edina Müller: Das war eigentlich eher zufällig. Ich bin damals für Rollstuhlbasketball nach Hamburg gekommen, denn der Trainer der Mannschaft hier war gleichzeitig auch der Bundestrainer. Die Idee war, dass ich erstmal nur ein Jahr bleibe (lacht). Dann hat sich alles glücklich gefügt – ich habe meinen Traumjob bekommen und dank der Unterstützung des Klinikums sind daraus jetzt 10 Jahre geworden. Nach den Sommer-Paralympics in London, wo wir mit der deutschen Mannschaft Gold im Rollstuhlbasketball holten, habe ich dann nicht nur in Boberg trainiert, sondern auch hier gearbeitet.
(Leistungssport)Sport zieht sich wie ein roter Faden durch deinen Lebenslauf: Von Volleyball über Rollstuhlbasketball, Parakanu, Golf, Tauchen und vielen weiteren Sportarten hast du nicht nur viel ausprobiert, sondern auch außergewöhnliche Leistungen erbracht - zuletzt Gold im Kajak bei den Paralympics. Hättest du dir das damals vorstellen können?
Edina Müller: Dass es mal bis zu Olympia gehen würde, so weit hatte ich damals noch nicht gedacht.Man kann aber sagen, dass Sport schon immer in meinen Genen lag. Ich komme aus einer sehr sportlichen Familie. Mein Großvater spielte in der 2. Bundesliga Fußball, meine Großmutter in der Auswahl der Jugendnationalmannschaft Handball. Meine Mutter ist wahnsinnig sportbegeistert. Ich weiß noch, dass wir zu Hause wenig TV schauten. Aber wenn Olympia oder andere wichtige Sportereignisse stattfanden, durfte der Fernseher sogar beim Essen laufen. Oder wir haben mitten in der Nacht Boris Becker und Steffi Graf zugeschaut. Es gibt also viele schöne Kindheitserinnerungen, die mit Sport verknüpft sind.
Gleichzeitig bist du aber nicht nur Leistungssportlerin geworden, sondern auch Sporttherapeutin. Welche Gründe gab es dafür?
Edina Müller: Sporttherapie war die Therapie, die mir in meiner eigenen Reha sehr geholfen hat. Das war die Therapie, auf die ich im Reha-Alltag immer gewartet habe. Daraus hat sich mein Berufswunsch entwickelt und ich habe darauf hin studiert. Nach meiner Rückkehr aus den USA stand Sporttherapeutin beim Berufswunsch auf der Eins.“
Wie einfach ist der Wechsel zwischen den größten „Sportbühnen“ der Welt und der Arbeit hier in Boberg?
Edina Müller: Das ist vor allem eine Kopfsache, da muss man umschalten. Gerade bei den Paralympics ist alles so wahnsinnig groß – weiter geht es im Sportbereich ja gar nicht. Wenn man dann auch noch so erfolgreich war, kommt einem zurück alles etwas still vor. Da hilft der Beruf tatsächlich, hier bin ich wieder von Menschen und Sport umgeben. Nach einer kleinen Anpassungsphase ist der „Post-Paralympics-Blues“ auch wieder weg.
Wie arbeitest du mit den Patientinnen und Patienten?
Edina Müller: Grundsätzlich machen wir medizinische Trainingstherapie. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten die Rückkehr in ihren Alltag und Beruf zu ermöglichen. Das geht nur, wenn wir ganzheitlich arbeiten. Also schauen wir, was die Person nachher wieder können muss, damit die Integration gelingt. Mentale und psychische Faktoren spielen dabei eine große Rolle. Als Rollstuhlfahrerin kann ich den Menschen teilweise auf einer anderen Ebene begegnen – denen, die bspw. durch einen Unfall selbst im Rollstuhl sitzen, aber auch allen anderen. Ich denke, dass das viele Sachen in Relation setzt und eine Motivation ist, an sich zu arbeiten.
Was macht die Sporttherapie für dich zum Traumjob?
Edina Müller: Ich glaube, dass wir gerade in dem Therapiebereich in einer besonders glücklichen Situation sind. 90 % der Patientinnen und Patienten gehen hier mit einem Erfolgserlebnis raus. Das mitzuerleben ist auch für uns ein tolles Gefühl. Außerdem arbeiten wir hier von Anfang an vor allem an den Stärken und sehen, was funktioniert, während bei anderen Therapien die Defizite im Vordergrund stehen und erstmal deutlich wird, was alles nicht geht.
Wie sieht eine typische Arbeits- bzw. Trainingswoche für dich aus?
Edina Müller: Ich trainiere täglich zweimal, vormittags bspw. Kraft- oder Ergometertraining und Physiotherapie-Einheiten. Dann arbeite ich mit den Patientinnen und Patienten und bin im Anschluss beim Training auf dem Wasser oder in der Krafthalle – je nachdem, was das Training angibt.
Das hört sich viel an. Vor vier Jahren bist du zusätzlich noch Mutter geworden. Wie schaffst du seitdem den Spagat zwischen Leistungssport, Beruf und Familie?
Edina Müller: Ich hatte von Anfang an eine super Unterstützung durch das BG Klinikum. Wir haben uns damals mit dem Geschäftsführer Dr. Erhard zusammengesetzt und besprochen, wie das funktionieren kann. So wurde mir ermöglicht, hier nach der Arbeit zu trainieren. Dafür habe ich sogar extra ein Kajak-Ergometer in dem Trainingsraum zur Verfügung gestellt bekommen. Kurze Wege habe ich auch zum Training auf dem Wasser in Allermöhe. Und dass mein Sohn hier in die Klinik-Kita gehen kann, ist natürlich auch ein großer Vorteil. Die Arbeitszeiten werden zudem so gelegt, dass diese mit meinem Training vereinbar sind. Für Wettkämpfe werde ich freigestellt. Daher muss ich auch meinem Team hier danken, das mir den Rücken in dieser Zeit freihält. Auch die neue Geschäftsführung unterstützt mich weiter. Das weiß ich sehr zu schätzen und bin wirklich dankbar. Das ist nicht selbstverständlich – gerade im paralympischen Sport sieht die Realität für viele Sportlerinnen und Sportler anders aus.
Mit welchen Herausforderungen ist der (paralympische)Leistungssport verbunden?
Edina Müller: Ganz allgemein ist die Absicherung des Lebensunterhalts der Sportlerinnen und Sportler nicht immer gegeben. Man ist im paralympischen Bereich sehr abhängig vom Arbeitgeber. Athletinnen und Athleten der Bundeswehr, Polizei usw. sind bspw. durch den BMI komplett abgesichert – sie werden für Wettkämpfe freigestellt und das Wichtigste: Danach fallen sie nicht in ein Loch. Viele paralympische Athletinnen und Athleten wissen dann hingegen nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren sollen. Eine Förderung in dem Rahmen ist für sie nicht vorgesehen, sie sind komplett von ihrem Arbeitgeber abhängig. Daher bin ich für die Unterstützung auch so dankbar.
Schwierig ist es dann noch einmal für Eltern im Leistungssport, weil eine Unterstützung nicht vorgesehen ist – weder finanziell, noch organisatorisch. Die Unterbringung meines Sohnes war bei den Paralympics bspw. durch die Coronasituation besonders schwierig. Ich musste alles selber finanzieren und organisieren. Das ist eine Zusatzbelastung auf die sowieso schon hohe Gesamtbelastung.
Hattest du jemals das Gefühl, dass dir deshalb der Leistungssport zu viel wurde?
Edina Müller: Es gab immer wieder Phasen, in denen mir viele Steine in den Weg gelegt wurden. Dann habe ich mich schon gefragt, ob ich bestimmte Sachen unterstützen kann, weil bspw. die Strukturen für Mütter im Leistungssport noch nicht stimmen. Aufgeben wollte ich deswegen aber nie. Sport ist immer in meinem Leben gewesen und dafür ein zu wichtiger Teil von mir.