Brügger-Therapie
Hier finden Sie Hintergrundinformationen zur Brügger-Therapie "Murnauer Konzept".
Informationen und Hintergründe
Viele Beschwerden im Bewegungsapparat haben ihre Ursachen nicht nur in Veränderungen an Gelenken oder der Wirbelsäule, wie wir sie im Röntgen oder Computertomogramm sehen können. Beinahe immer spielen auch Funktionsstörungen eine große Rolle, die durch keine dieser Untersuchungen erkannt werden können.
Funktionsstörungen können unter anderem verkürzte oder überlastete Muskeln sein, aber auch Zerrungen und Reizungen von Sehnen und Bindegewebe. Diese Funktionsstörungen lösen im Körper Schonprogramme aus, die Bewegungen verändern oder einschränken – oder zu Schmerzen führen. Erstaunlicherweise können die Beschwerden dabei weit entfernt von den Ursachen wahrgenommen werden, da sie als Schutz dienen – eine Warnung unseres Gehirns sozusagen.
So können bei bestimmten Bewegungen Rückenschmerzen auftreten, die durch überlastete Bauchmuskeln ausgelöst werden – oder Kniebeschwerden, die durch verkürzte Wadenmuskulatur hervorgerufen wird. Dies gilt selbst dann, wenn das Röntgenbild Verschleiß an der Wirbelsäule oder im Kniegelenk wiedergibt.
Als Brügger-Therapeutinnen und -Therapeuten können wir durch eine funktionelle Diagnostik ihren Körper „befragen“, wo sich die Funktionsstörungen befinden und welcher Art sie sind.
Durch ein breitgefächertes Repertoire an therapeutischen Interventionen, das thermische Maßnahmen wie Wärme und Hitze, aber ebenso Dehnungen, Gewebearbeit und gezieltes Training umfasst, können wir die Funktionsstörungen positiv beeinflussen. Dies gilt gerade auch dann, wenn schon Belastungen durch eine Operation oder einen Unfall vorliegen.
Dabei geht es letztendlich nicht so sehr darum, dass Brügger-Therapeutinnen und -Therapeuten die Funktionsstörungen „wegbehandeln“. Vielmehr sollen die Patientinnen und Patienten mehr Verständnis dafür entwickeln, durch welche Verhaltensweisen sie diese Funktionsstörungen begünstigt haben und was sie jetzt selbst tun können, um sie zu beseitigen. Es handelt sich also um einen geistigen und körperlichen Lernprozess und die Umsetzung verbesserter Bewegungsabläufe in den Alltag.
Der Kern der Brügger-Therapie ist einerseits die Kenntnis über das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Muskelgruppen bei komplexen Bewegungen wie Gehen / Bücken / Schreibtischarbeit oder Kite-Surfen – Bewegungsmuster – und andererseits das Wissen darum, dass Störfaktoren im Gehirn Schonprogramme auslösen, die diese Bewegungsmuster so verändern, dass der Körper möglichst wenig Schaden erleidet. Dr. Brügger nannte dieses pathoneurophysiologische Reflexgeschehen den NSB – nozizeptiver somatomotorischer Blockierungseffekt. Beide Kernaspekte der Brügger-Therapie haben erst einmal nichts mit Haltung zu tun – obwohl normalerweise an den Physiotherapieschulen unter Brügger-Therapie eine steife aufrechte Haltung und ein übertriebenes ADL verstanden wird!
Die Schonprogramme unseres Körpers als Reflexgeschehen über das Gehirn sind allen gut ausgebildeten funktionellen Therapeuten bekannt, oft vielleicht unter unterschiedlichen Bezeichnungen. Einfach ausgedrückt bedeuten sie, dass unsere Bewegungsveränderungen und Schmerzen vom Gehirn als Schutz, als Alarmzeichen eingesetzt werden, damit unser Körper nicht weiteren Schaden erleidet. Und so sind diese Veränderungen und Schmerzen gerade NICHT Ursache!
So können Rücken-, Knie- oder Schulterschmerzen viele verschiedene Ursachen haben – sowohl im Bewegungsapparat, als auch in anderen Regelkreisen unseres Organismus, z.B. im Viszerum. Es ist wichtig, mittels Röntgen, CT oder Kernspin nach möglichen lokalen morphologischen Schäden zu suchen, aber selbst im Bild aufgezeigte deutliche Veränderungen müssen nicht oder nur anteilig Ursache der Beschwerden sein. Die Schmerzen sind ein Schonprogramm des Gehirns, das durch die Summe aller Schadensmeldungen ausgelöst wird – gerade auch der nicht darstellbaren funktionellen Störfaktoren!
In der Funktionsdiagnostik der Brüggertherapie suchen wir nach den (zusätzlichen) funktionellen Störungen im Bewegungsapparat.
Unter funktionellen Störfaktoren verstehen wir unter anderem muskuläre und bindegewebige Kontrakturen, Zerrungen, muskuläre Überlastungen und bindegewebige Reizungen – all diese sind aber nicht durch bildgebende Diagnostik darstellbar. Wir benötigen also anderes zusätzliches diagnostisches Werkzeug, um sowohl die Lokalisation, als auch die Art des Störfaktors erfassen zu können. Wir nennen diese Werkzeuge die Funktionsanalyse. Dabei nutzen wir unter anderem Kontrollbewegungen, unsere Erfahrungen und Kenntnisse über Bewegungsmusterzusammenhänge und Gewebearbeit.
Ein weiteres Charakteristikum der Brügger-Therapie ist das direkt „Verweben“ von Diagnostik und Therapie. Diagnostizierte Störfaktoren werden durch therapeutische Interventionen beeinflusst und ermöglichen noch genauere diagnostische Schritte. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei eine umfassende Behandlungsplanung, ein „roter Faden“, der den Therapeutinnen und Therapeuten hilft, aus der Vielzahl physiotherapeutischer Behandlungsmöglichkeiten das für seine/n Patient/in optimale Zusammenwirken auszuwählen. Dabei geht es darum, die Patientinnen und Patienten dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden – und so können unterschiedliche Techniken zur Anwendung kommen wie manuelle Dekontraktion (Gewebearbeit), Trainingstherapie, Antagonistenhemmung oder Craniosacraltherapie – die Therapeutin/der Therapeut muss nur wissen, wann er was nutzen kann. Und da es sich letztendlich um einen geistigen und körperlichen Lernprozess der Patientin/des Patienten handelt, sind ebenso Gesprächsführung, Motivation und Übertragung in den Alltag (ADL) nötig, um einen dauerhaften Erfolg zu ermöglichen.
Brüggertherapeutische Behandlungen leben von der Begegnung mit den Menschen und sind gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten die spannende Suche nach den habituellen und funktionellen Störfaktoren – und den Möglichkeiten, diese trotz aller Arbeitsbelastung, trotz Zeitmangel und Stress, positiv zu verändern.
Brügger-Therapie ist keine Technik, keine steife Haltungsschulung, kein überkorrigiertes ADL. Vielmehr kann jede bereits jetzt oder später erlernte Behandlungstechnik in diesen funktionellen Behandlungsansatz integriert werden.