Notfallmediziner holen lebensrettendes Verfahren an den Unfallort
Das sogenannte REBOA-Verfahren soll erstmals bereits am Unfallort eingesetzt werden. Schwerstunfallverletzte Menschen mit starken inneren Blutungen profitieren in hohem Maße davon.
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09.03.2023Pressekontakt
Christian Malordy
Notfallmediziner des BG Klinikums Bergmannstrost Halle und der Halleschen DRF-Luftrettungsstation werden künftig ein Verfahren einsetzen, das die Überlebenschance schwerstverletzter Menschen und bei Patienten mit Herzkreislaufstillstand verbessern soll. „Für Menschen mit schweren inneren Blutungen im Bauch- und Beckenraum haben wir bisher am Unfallort nur wenige Behandlungsoptionen. Es gilt, den Patienten schnellstmöglich in die Klinik zu bringen“, erklärt PD Dr. med. Peter Hilbert-Carius, Oberarzt am Bergmannstrost und Leitender Hubschrauberarzt an der DRF-Luftrettungsstation Halle. Nun soll das sogenannte REBOA-Verfahren, das deutschlandweit in nur wenigen Kliniken und regulär erst im Schockraum zur Anwendung kommt, erstmals bereits auf dem Rettungsweg eingesetzt werden.
Mit dem REBOA-Verfahren (Abkürzung für Resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta) können lebensbedrohliche innere Blutungen des Bauch- und Beckenraums notfallmäßig und für einen kurzen Zeitraum gestoppt werden. Zudem kann durch das Verfahren bei Patienten mit Herzkreislaufstillstand während der Wiederbelebung die Durchblutung von Herz und Gehirn verbessert werden. Das Verfahren ist in den Notaufnahmen einiger weniger Krankenhäuser in Deutschland – darunter das Bergmannstrost – bereits etabliert. Hilbert-Carius erklärt das invasive Vorgehen: „Dabei wird dem Patienten ein dünner Katheter über die Leiste in die Aorta eingeführt. Über diesen Schlauch können wir dann mittels eines Ballons die Blutzufuhr zur Blutungsquelle stoppen bzw. die Herz- und Hirndurchblutung verbessern.“ Das Verfahren gilt als anspruchsvoll, es zu schulen, ist vergleichsweise aufwändig. Auch deshalb wird es bislang nicht bereits am Unfallort oder auf dem Weg in die Klinik angewendet. Ausnahmen sind hochspezialisierte Rettungssysteme sowie das Militär. Doch nun zeigen die wenigen Studien, die es dazu gibt, dass die Überlebenschancen deutlich steigen, wenn der Patient noch am Unfallort, in der vor-klinischen Phase, entsprechend behandelt wird. Notfallmediziner Hilbert Carius: „Bei Schwerstverletzten reden wir hier von einer Steigerung der Überlebensrate von ca. 50% auf fast 89%. Es ist nur eine kleine Anzahl Schwerstunfallverletzter, die für dieses Verfahren in Frage kommen. Diese profitiert jedoch in besonders hohem Maße, es rettet sie vor dem Verbluten. Außerdem können wir das Verfahren auch bei Notfall-Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand durch die verbesserte Herz- und Hirndurchblutung lebensrettend einsetzen.“
Der Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und Notfallmedizin, Schmerzzentrum am BG Klinikum Bergmannstrost Halle hat deshalb eine wissenschaftliche Studie auf den Weg gebracht, die den Einsatz des präklinischen REBOA-Verfahrens untersuchen soll. Teil des Projektes ist ein Training im Unfallkrankenhaus Bergmannstrost sowie an der Hallenser DRF Luftrettungsstation in Oppin. Mehr als 30 Notärztinnen und Notärzte sowie Notfallsanitäter des DRF-Standorts haben vom 7. bis zum 9. März 2023 in kleinen Teams den Einsatz des REBOA-Verfahrens trainiert. „Ziel ist es, das Verfahren außerhalb der Klinik genauso sicher anzuwenden wie im Krankenhaus. Darum gehört zu der Schulung auch das Training unter möglichst realistischen Bedingungen direkt am Hubschrauber.“
Nach erfolgreichem Trainingsabschluss inklusive Abschlussprüfung werden die beiden Hallenser DRF-Hubschrauber mit dem notwendigen Equipment ausgestattet, sodass ab Anfang April das Verfahren durch die Hubschrauberteams im Notfall angewendet werden kann.
Die Ausbildung des REBOA-Verfahrens sowie dessen vor-klinischer Einsatz wird vom BG Klinikum Bergmannstrost Halle wissenschaftlich begleitet und evaluiert. An dem auf zweieinhalb Jahre angelegten Studienprojekt sind zudem die DRF Stiftung Luftrettung sowie das Universitätsklinikum Halle beteiligt.
Bild: Notfallmediziner trainieren das Reboa-Verfahren am Hallenser DRF Luftrettungsstation in Oppin. (Foto: Peter Hilbert-Carius)