Herbert-Lauterbach-Preis: Bessere Diagnose bei geringerer Strahlenbelastung
Der diesjährige Herbert-Lauterbach-Preis der Kliniken der gesetzlichen Unfallversicherung geht an den Radiologen Dr. Thomas Kahl vom Institut für Radiologie und Neuroradiologie des BG Klinikums Unfallkrankenhaus Berlin.
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11.11.2021Pressekontakt
Eike Jeske
Kahl erhält die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung für eine Studie zum Einsatz niedrigdosierter Ganzkörper-Computertomographien (CT) bei mehrfach verletzten Unfallpatienten.
Bei der von einer sechsköpfigen Jury ausgezeichneten Forschungsarbeit handelt es sich um eine Zeitreihenanalyse, die über zwei Jahre mit Daten von über 1.000 Polytrauma-Patienten im BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin durchgeführt wurde.
Kahl und sein Team fanden dabei heraus, dass sich die Strahlendosis bei CT-Untersuchungen nahezu halbieren lässt, ohne an Genauigkeit und diagnostischer Aussagekraft zu verlieren. Unfallpatienten profitieren somit von einer deutlich geringeren Strahlenbelastung, riskieren aber trotzdem nicht, dass potenziell lebensbedrohliche Verletzungen während der Akutversorgung übersehen werden.
Die BG Kliniken prüfen nun, die Ergebnisse der mittlerweile auch international bekannten Studie in ihre Trauma-Algorithmen und die Leitlinien verschiedener Fachverbände aufnehmen zu lassen.
Der Herbert-Lauterbach-Preis
Die wissenschaftliche Auszeichnung „Herbert-Lauterbach-Preis“ wurde 1984 anlässlich des 100-jährigen Bestehens der gesetzlichen Unfallversicherung von der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken ins Leben gerufen, einer Vorgängerorganisation der heutigen BG Kliniken. Seit Fusion der BG Kliniken zu einem Konzern mit Holdingstrukturen, vergibt die Muttergesellschaft „BG Kliniken - Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH“ den Preis jährlich beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Ausgezeichnet werden dabei traditionell vor allem Forschungsarbeiten mit besonderen wissenschaftlichen Leistungen auf den Gebieten der Unfallmedizin sowie der Berufskrankheiten des Bewegungsapparates. Die Jury setzt zusammen aus einer Repräsentantin der gesetzlichen Unfallversicherung, einem Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und drei Mitgliedern des Medizinischen Beirats der BG Kliniken.
Weitere Informationen zur Studie
Publiziert 2020 im JAMA Surgery, eingereicht von Dr. med. Thomas Kahl, Institut für Radiologie und Neuroradiologie, BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin.
Bei der Studie handelt es sich um eine quasi-experimentelle Zeitreihenanalyse, welche untersuchte, ob die primäre Multidetektor-Ganzkörper-Computertomographie (WB-MDCT) bei vermutet Polytraumatisierten mit einem sogenannten iterativen Dosisreduktionsalgorithmus eine gegenüber etablierten Niedrigdosis-WB-MDCT-Protokollen nicht-unterlegene diagnostische Aussagekraft in der Erkennung von potenziell lebensbedrohlichen Verletzungen bietet. Die WB-MDCT stellt die akzeptierte Referenztechnologie der Polytrauma-Diagnostik dar, wird jedoch aufgrund der notwendigen Strahlenexposition kritisiert. Moderne Untersuchungsprotokolle reduzieren diese bereits auf das absolute Minimum. Iterative Dosisreduktionsalgorithmen wie iDose4 oder ASIR können durch eine Aufhebung des Rauschens die mittlere diagnostische Strahlenexposition weiter reduzieren. Es gibt bisher jedoch keinen klinischen Beleg, dass trotz einer möglichen Einschränkung der Bildqualität therapeutisch relevante Verletzungen nicht übersehen werden.
Die DoReMI-Studie (Dose Reduction in Multiple Trauma Imaging, ISRCTN74557102) schloss 1074 Patienten und Patientinnen ein, welche zwischen September 2014 und August 2016 im Unfallkrankenhaus Berlin aufgrund einer vermuteten schweren Verletzung bzw. eines Polytraumas mittels primärer WB-MDCT gescreent wurden. 565 unterliefen eine konventionelle Niedrigdosis-WB-MDCT, 509 eine iDose4-WB-MDCT. Die nicht-zufällige (nicht-randomisierte) Zuteilung war der Auflage der Ethik-Kommission geschuldet, das zugrundeliegende Design kam dem Goldstandard der randomisierten Studie am nächsten, und etwaige Unterschiede im Ausgangsprofil der Studienteilnehmer wurden mittels komplexer Regressionsverfahren ausgeglichen.
Die Kernaussage der Studie lautet, dass iterative Dosisalgorithmen ohne Kompromisse an die diagnostische Genauigkeit die mittlere diagnostische Strahlenexposition der WB-MDCT halbieren können.