Wenn Schwerverletzte nicht fit genug für die Reha sind:
Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR) zur Herstellung ihrer Rehabilitationsfähigkeit
Die Überlebenschancen polytraumatisierter Patientinnen und Patienten sind in den letzten 20 Jahren durch die Entwicklung strukturierter Behandlungsmethoden im Rettungsdienst, im Schockraum und in der Notfall- bzw. Unfallchirurgie deutlich gestiegen. Doch sind in der Regel polytraumatisierte Menschen – d. h. mehrfachverletzte Personen mit mindestens einer lebensbedrohlichen Verletzung – sowie schwer verletzte Personen nach ihrem Klinikaufenthalt noch nicht rehafähig.
Denn die Kriterien der Deutschen Rentenversicherung als Voraussetzung für eine ambulante oder stationäre Rehabilitation sind als „Rehabilitationsfähigkeit“ definiert und orientieren sich an einer ausreichenden körperlichen Belastbarkeit und Motivation. Dazu gehört, dass die Verunfallten selbstständig essen und sich anziehen können.
Für den Großteil der polytraumatisierten und schwer verletzten Patientinnen und Patienten sind diese Vorgaben nicht zu schaffen. Viele können – wenn überhaupt – erst nach drei bis sechs Monaten in häuslicher Pflege oder Kurzzeitpflege, in der sie in ihrem Genesungsprozess zurückgeworfen werden, die Vorgaben erfüllen. Oftmals sind es gerade extreme Verletzungen, wie etwa beidseitige Armamputationen nach Hochspannungsunfällen bei besonders jungen Patientinnen und Patienten, die eine Reha völlig unmöglich machen. Deren Prognose, ohne Reha im Alltag klarzukommen, ist extrem schwierig. Doch auch Patientinnen und Patienten mit sogenannten Problemkeimen können nicht nach dem Klinikaufenthalt direkt in die Reha entlassen werden. So starten nur 15 % aller Polytraumatisierter und Schwerverletzter nach Verlassen der Klinik direkt mit ihrer Rehabilitation in einer Rehaklinik. Der Großteil von ihnen wird stattdessen nach dem Klinikaufenthalt in häusliche Pflege oder in Pflegeheime entlassen.
Notwendigkeit einer durchgehenden Behandlungskette
So zeigen sich bei Patientinnen oder Patienten mit sehr schweren Verletzungen dauerhaft relevante Beeinträchtigungen der physischen und psychischen Gesundheit. Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens, chronische Schmerzsyndrome und psychotraumatologische Folgen resultieren aus einer reduzierten sozialen und beruflichen Teilhabe.
Hier gegenzusteuern lässt sich nur durch das Angebot einer durchgehenden Behandlungskette – von der „Rettung bis zur Reha“. Aktuell wird diese durchgehende Behandlungskette ausschließlich in den BG Kliniken, innerhalb der Möglichkeiten des Sozialgesetzbuchs (SGB VII), vollständig ausgeschöpft. Herausragendes Merkmal der sogenannten „integrierten Rehabilitation“ wie sie in den BG Kliniken angeboten wird, ist die enge interdisziplinäre Verzahnung der Therapie mit allen akut und rekonstruktiv behandelnden Fachbereichen, die bereits auf der Intensiv- oder Akutstation beginnt.
Das Rehabilitationsverfahren, das zur Herstellung der Rehabilitationsfähigkeit zum Tragen kommt, ist derzeit noch recht unbekannt:
Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR)
Die KSR kommt vor allem bei komplizierten Heilungsverläufen mit intensivem therapeutischen Rehabilitations- und Pflegebedarf zum Einsatz. Oftmals wird durch die KSR erst Rehabilitationsfähigkeit hergestellt. Ursache sind zumeist schwere Verletzungen, erhebliche Kontextfaktoren oder Komplikationen im Heilverlauf.
Die KSR ist eine spezielle Behandlungsform, die ausschließlich in BG Kliniken angeboten wird. Sie wird oftmals für 3-4 Wochen, optional mit Verlängerung, verordnet und beinhaltet täglich mindestens 4-5 Stunden (überwiegend Einzel-) Therapie an sechs Tagen pro Woche. Die Verordnung kann vom Durchgangsarzt bzw. von der Durchgangsärztin vor Ort, d. h. am besten vor Verlassen der jeweilig behandelnden Klinik, ausgestellt werden. Gerne stellt Ihnen der Landesverband Mitte die Verordnung als Word-Datei zur Verfügung. Eine kurze Mail dazu, gerichtet anlv-mitte[at]dguv.de, ist ausreichend.
Vor der Verordnung sollten die verordnenden D-Ärztinnen und D-Ärzte Kontakt mit dem Reha-Management des zuständigen Unfallversicherungsträgers aufnehmen. D-Ärztinnen und -ärzte sind in allen Kliniken, die Arbeits- und Wegeunfälle behandeln, vor Ort. Weitere Infos zur KSR ->
Phasenmodell – Phase C Rehabilitation und das sogenannte „Rehaloch“
Für die Rehabilitation von Traumapatienten wurde 2017 ein Modell der Traumarehabilitation in sechs Phasen publiziert. Nach diesem Modell findet nach der Akutbehandlung (Phase A) sowie der Frührehabilitation (Phase B) die sogenannte postakute Rehabilitation (Phase C) statt. Diese ist gekennzeichnet durch einen großen Anteil pflegebedürftiger Patientinnen und Patienten mit hohem Rehabilitationsbedarf und häufig erforderlichen operativen Revisionseingriffen. Doch gerade in dieser postakuten Rehabilitation (Phase C) besteht ein „Rehaloch“: Die Phase-C-Rehabilitation ist lediglich im Bereich der Gesetzlichen Unfallversicherung – ausschließlich in den BG Kliniken – als „Komplexe Stationäre Rehabilitation (KSR)“ flächendeckend umgesetzt.