Ich bin Arzt geworden um Menschen zu helfen

Dr. Rolf Teßmann ist seit 1988 an der BGU und seit 1995 als Chefarzt der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie an der BG Unfallklinik tätig. Zum 17. Mai 2021 gibt er den Chefposten an Prof. Dr. Thorsten Steinfeldt ab, bleibt der Klinik aber als erfahrener Krankenhaushygieniker erhalten.

Infos zur Pressemitteilung

17.05.2021

Pressekontakt

Rita Krötz

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
069 475-1534 E-Mail

Herr Dr. Teßmann, was hat sich in Ihrem Fach in all diesen Jahren verändert bzw. weiterentwickelt?

Gerade die Anästhesie – aber auch die Intensivmedizin hat in den letzten Jahrzehnten extrem viel zur Patientensicherheit rund um den operativen Eingriff beigetragen. Viele zum Teil bahnbrechende Neuerungen, Detailverbesserung, wie besser steuerbare Medikamente oder auch technische Innovationen, z.B. die Pulsoxametrie (heute kann sich kaum eine Medizinerin oder ein Mediziner mehr vorstellen, einen operativen Eingriff ohne Pulsoxymetrie durchzuführen) oder die heute übliche, sehr patientenschonende Beatmung sind die eigentlichen technischen Qualitätstreiber einer deutlich sichereren Patientenbehandlung. Aber auch die standardisierte und bedarfsgerechte Überwachung hat extrem zur deutlich erhöhten Sicherheit des Patienten beigetragen.

Fazit: Eine Narkose ist heute deutlich sicherer als früher!

Ganz konkret bedeutet das …..?

 Wie wir aus großen Untersuchungen wissen, hängen die häufigsten Komplikationen rund um die Anästhesie mit der Sicherung des Atemweges zusammen. Neue Techniken der Atemwegssicherung, wie die Einführung der Laryngsmaske oder die Videolaryngoskopie – gepaart mit Standards und Training aller Beteiligten im Umgang mit diesen Techniken – haben zu einem drastischen Rückgang der perioperativen Sterblichkeit im Zusammenhang mit der Anästhesie geführt.

Das klingt doch vielversprechend. Schauen wir nach vorne. Worin liegen die größten Herausforderungen für die Intensivmedizin in den nächsten Jahren?

Personal, Personal, und nochmals Personal ……….!
Trotz aller technischen Fortschritte darf die zentrale Bedeutung der klinischen Überwachung, der Pflege, der Zuwendung, der Diagnosestellung und auch der Therapieentscheidung/-Umsetzung nie vergessen werden! In diesem Zusammenspiel ist die Erfahrung und die Zuwendungszeit der Therapeuten – und hierin schließe ich ausdrücklich alle (!) am Patienten Tätige ein, Pflege, ärztlicher Dienst, Physiotherpie…. – der entscheidende Erfolgsfaktor! Aber: Das Arbeiten auf einer Intensivstation ist belastend: Personalmangel, immer „unter Zeitdruck“, nicht selten ethisch komplexe Entscheidungen rund um eine Therapie treffen müssen – auch sterben lassen – führen dazu, dass viele, insbesondere Pflegekräfte, sich andere Handlungsfelder suchen oder die Intensivmedizin ganz hinter sich lassen. Ziel muss hier eindeutig sein, alles (auch: politisch!) notwendige zu tun, um dieser Entwicklung ersthaft engegeben zu wirken!

Fazit: Gerade in der Intensivmedizin sind die zu behandelnden Personen auf das Personal angewiesen….

Genau! Ohne qualifiziertes und motiviertes Personal gibt es keine Intensivmedizin. Nehmen wir uns doch ein Beispiel and der Palliativmedizin; Ziel ist hier, ein durch Hinwendung garantiertes Höchstmaß an Lebensqualität für den Patienten, aber auch seiner Angehörigen, zu erreichen. Zeit für Empathie zu haben, Zuhören können, weg von dem sinnlosen „alles dokumentieren müssen ….“, Mut machen, begleiten – das sind die eigentlichen Erfolgsfaktoren der Palliativmedizin. Übertragen auf die Intensivmedizin könnte dies bedeuten: die apparative Patientenüberwachung und –therapie darf nie dazu führen, alles machbare auch immer zu tun, darf nie zum Selbstzweck werden und  muss stets individuell und patientengerecht eingesetzt werden. Unser Ziel sollte sein, Therapeutinnen und Therapeuten Zeit zu geben, ihre Patientinnen und Patienten in deren schwierigen Lage ernst zu nehmen und sich „kümmer zu können“.

Welchen Rat oder Wunsch möchten Sie ihrem Nachfolger übermitteln?

Einen Rat zu geben fällt mir schwer, aber ein Zitat von Albert Schweitzer passt vielleicht hier her: „Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinausgibt, geht nicht verloren!“
Ich freue mich wirklich für unser tolles Team und unsere herausragende Klinik, dass die Wahl auf Thorsten Steinfeldt gefallen ist!

Sie bleiben als Krankenhaushygieniker der BGU weiterhin erhalten. Welche Projekte werden Sie, nun mit mehr Zeit, gleich in Angriff nehmen?

Zunächst: Ich freue mich wirklich, dass wir die Kontinuität der überragenden Qualität in Hygiene und der hauseigenen Laborversorgung – denken Sie hier nur an die Geschwindigkeit, in der wir die Struktur einer COVID-Diagnostik aufgebaut haben – fortführen können, zum Benefit für alle unsere Patienten. Ziel wird sein, trotz allen Zeitdrucks die Strukturen in der Qualität nicht nur stabil zu halten, sondern auch immer noch verbessern, um unsere Hygienekonzepte zu „leben“. Unsere Stärke ist ja, die Mitarbeiterkultur, das Zusammengehörigkeitsgefühl. Gerade diese Strukturen werden helfen, den ausgezeichneten Ruf als quasi Referenzklinik in Sachen Hygiene im Frankfurter Raum mit allen unseren Mitarbeitern gemeinsam auszubauen. Selbstverständlich werden wir auch die an sich schon sehr gut strukturierten Hygienepläne einer permanenten Qualitätskontrolle unterziehen und darauf achten, dass diese mit Leben gefüllt werden.

Infokasten Zur Person:

Dr. med. Rolf Teßmann 

Chefarzt der Abteilung Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie (1995 bis 2021)
Mitglied und Leiter der Hygienekommission der BGU FFM
Mitglied der Arbeitsgruppe „Hygiene“ der BG Kliniken
Langjähriger Vorsitzender des klinischen Ethikkomitees der BGU FFM
Mitglied des Ethikkommitees der BG Kliniken
Ärztlicher Leiter des Labors der BGU FFM
Von 2007 bis 2014 in doppelter Chefarzt-Funktion am Klinikum Offenbach und der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt (BGU)
Mitglied im MRE-Netzwerk Rhein-Main (Multiresistente Erreger =MRE)
Notfallmedizin, Umweltmedizin, Palliativmedizin