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Azithromycin

Ist Azithromycin allein wirksamer und sicherer als eine Hydroxychloroquin-Azithromycin-Kombination in der Behandlung von COVID-19?

Die im New England Journal of Medicine veröffentlichten Beobachtungsdaten aus dem New York Presbyterian Hospital zeigten keinen Vorteil von Hydroxychloroquin gegenüber einer Standardbehandlung bei COVID-19. Praktisch zeitgleich erschien im JAMA die Analyse einer Stichprobe von 1.438 aus 8.970 zwischen dem 15. und 28. März von im State Health Information Network for NY (SHIN-NY) erfassten stationären COVID-19-Behandlungsfällen (siehe JAMA Network).

Die Ergebnisse ähnelten, nicht überraschend, denjenigen aus dem Presbyterian Hospital, zumal dieses innerhalb des Beobachtungszeitraumes wahrscheinlich auch Daten in das SHIN-NY-Netzwerk eingespeist hat. Untersucht wurden die Wirksamkeit einer Kombination aus Hydroxychloroquin und Azithromycin, Hydroxychloroquin und Azithromycin allein, sowie einer Standardbehandlung ohne die genannten Arzneimittel im Hinblick auf die Notwendigkeit für eine Intensivtherapie, maschinelle Beatmung und Sterblichkeit. Die Patientengruppen unterschieden sich in ihren demografischen und sonstigen Risikofaktoren erheblich. Die Gesamtsterblichkeit unter Hydroxychloroquin-Azithromycin, Hydroxychloroquin allein und einer Standardbehandlung lag bei 189 / 735 (25,7%), 54 / 271 (19,9%) und 28 / 211 (12,7%). Das für Geschlecht, Alter, Diabetes mellitus, chronische Lungen- und kardiovaskuläre Erkrankungen, Sauerstoffsättigung <90% und andere Variablen korrigierte Hazard Ratio (HR) im Vergleich zur Standardbehandlung lag für Hydroxychloroquin-Azithromycin bei 1,35 (95% Konfidenzintervall [KI] 0,76 – 2,40, für Hydroxychloroquin allein bei 1,08 (95% KI 0,63 – 1,85). 

Die alleinige Azithromycin-Therapie stach jedoch heraus. Je 211 Patientinnen und Patienten wurden mit oder ohne Azithromycin behandelt. Es bestand eine offensichtliche Ungleichverteilung bekannter Risikofaktoren für schwere und tödliche COVID-19-Verläufe zuungunsten der Azithromycin-Gruppe.

Risiko­variable

Azithro-
mycin

Standard-
­therapie
Männliches Geschlecht 63,5 %52,1 %
Alter ≥45 Jahre 80,6 %75,8 %
Aktiver oder ehemaliger Raucher22,9 %20,2 %
Adipositas (BMI ≥30)39,3 %30,0 %
Chronische Lungen­erkrankung18,0 %11,4 %
O2-Sättigung ≤93%23,0 %16,8 %
Fieber >38°C32,8 %27,8 %

Man hätte hier also eine höhere Sterblichkeit als unter einer Standardtherapie erwartet. Tatsächlich betrug die Häufigkeit einer Intensivbehandlung, maschinellen Beatmung und tödlicher Verläufe unter Azithromycin im Vergleich zum Standard 23 (10,9%) versus 27 (12,2%), 13 (6,2%) versus 18 (8,1%) und 21 (10,0%) versus 28 (12,7%).

Das für die o.g. Risikofaktoren adjustierte Hazard Ratio für ein Versterben lag unter Azithromycin im Vergleich zur Standardbehandlung bei 0,56 - entsprechend einer relativen Risikominderung von 43%. Würde man die Studie einhundertmal wiederholen, würde Azithromycin in 95 Fällen das relative Sterberisiko um bis zu 74% senken oder um bis zu 21% erhöhen. 

Im Gegensatz zur Kombination mit Hydroxychloroquin erhöhte Azithromycin nicht das Risiko für gefürchtete Herzrhythmusstörungen und plötzlichen Herzstillstand.

Fazit

Die Beobachtungsdaten aus dem State Health Information Network for NY stützen die Vermutung, dass Hydroxychloroquin bei COVID-19 keine signifikante Wirkung besitzt. Die trotz eines höheren Ausgangsrisikos geringere Sterblichkeit unter einer Behandlung mit Azithromycin stellt eine neuartige Beobachtung dar, die im Zuge laufender internationaler randomisierter Studien berücksichtigt werden sollte.

Stand: 15.05.2020