Bilder Alttext

COVID-19-Schwere und Einnahme niedrigdosierter Acetylsalicylsäure

Eine Studie des multizentrischen Collaborative Research to understand the Sequelae of Harm in COVID (CRUSH COVID) Registers in den USA untersuchte niedrigdosierte Acetylsalicylsäure als ergänzenden Therapieansatz bei der Behandlung von SARS-CoV-2.

Schwere Verläufe einer COVID-19-Erkrankung werden von venösen und arteriellen Thrombosen und Embolien begleitet bzw. durch diese hervorgerufen. Die Verstopfung von kleinen Blutgefäßen (Kapillaren) der Lunge scheint besonders häufig zu Störungen des Gasaustausches und einem Lungenversagen zu führen.

Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin), erstmals hergestellt bereits im Jahr 1897, hemmt in niedriger Dosierung (um 100 mg / täglich) die Funktion der Blutplättchen (Thrombozyten) und ist wahrscheinlich eines der weltweit bekanntesten und am häufigsten verschriebenen Medikamente nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Es ist fester Bestandteil der Liste der unentbehrlichen Arzneistoffe der Weltgesundheitsorganisation WHO, und kaum ein Pharmakon weist dosisabhängig so zahlreiche unterschiedliche Funktionen auf. Insbesondere zeigt es Wechselwirkungen mit dem komplexen menschlichen Entzündungssystem. Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Die erwünschte Hemmung der Blutgerinnung nach den o.g. Ereignissen kann wiederum zu erhöhter Blutungsneigung und auch zu Schäden der Magenschleimhaut führen.

In einer aktuellen Veröffentlichung des multizentrischen Collaborative Research to understand the Sequelae of Harm in COVID (CRUSH COVID) Registers in den USA (International Anesthesia Research Society) wurden Daten von 412 Patientinnen und Patienten analysiert, welche führend an vier großen Kliniken zwischen März und Juli 2020 wegen einer COVID-19-Erkrankung stationär behandelt wurden. Die Betroffenen waren im Durchschnitt 55 Jahre alt, 60 % waren Männer, 55 % afroamerikanischer Ethnizität. Von diesen erhielten 98 innerhalb von einer Woche vor oder 24 nach stationärer Aufnahme ASS in einer durchschnittlichen Dosis von 80 mg / Tag. Ein Viertel aller behandelten Personen verstarb in der Klinik. 
Nach statistischer Korrektur für verschiedene demografische, Erkrankungs- und Therapievariablen mittels der sogenannten Cox Proportional Hazard Regression erwies sich die Einnahme von ASS als unabhängiger günstiger Faktor, um das Risiko für eine Intensivbehandlung, mechanische Beatmung und innerklinische Sterblichkeit zu reduzieren (Abbildungen 1 und 2).

Bilder Alttext

Abb1. Multivariate Analyse des US-amerikanischen CRUSH COVID Registers zum Effekt einer niedrigdosierten ASS-Behandlung bei COVID-19 

Bilder Alttext

Abb2. Statistisch adjustierte Überlebensraten in Abhängigkeit einer niedrigdosierten ASS-Behandlung bei COVID-19 (International Anesthesia Research Society).

Fazit

In einer retrospektiven Auswertung von US-amerikanischen Registerdaten erwies sich eine niedrigdosierte Gabe von ASS als unabhängige Variable für bessere Outcomes bei COVID-19-Erkrankungen. Es ist verlockend, ein weltweit verfügbares, intensiv studiertes und dabei kostengünstiges Medikament als neuen Therapieansatz zu verfolgen, zumal auch der pharmakologische Mechanismus plausibel ist. Die Datenbasis verleitet jedoch dazu, sich Zusammenhänge sozusagen „schönzurechnen“. Es bleibt völlig unklar, wie lange die untersuchten Patientinnen und Patienten tatsächlich ASS einnahmen (möglicherweise über Jahre), warum die beobachteten Risikoreduktionen für verschiedene Endpunkte nahezu gleich waren usw. Die Stichprobe war für belastbare Aussagen viel zu klein. Möglicherweise sollte ASS als neue Intervention in die laufenden RECOVERY und SOLIDARITY aufgenommen werden - bis dahin bleibt die in Anaesthesia & Analgesia veröffentlichte Studie eine ernstzunehmende wissenschaftliche Anekdote.

(Stand: 03.11.2020)