Passive Immunisierung mit Antikörpern
Die Gabe von antikörperhaltigem Blutplasma von ehemals COVID-19-Erkrankten könnte den Erkrankungsverlauf, insbesondere bei schweren Fällen, mildern. Eine chinesische Studie weckt etwas Hoffnung auf dieses therapeutische Prinzip.
Emil von Behring (1854-1917) war der erste Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin- seine „Serumtherapie“, die Behandlung von sonst tödlich verlaufenden bakteriellen Erkrankungen wie Diphtherie oder Tetanus mittels antikörperreichen Blutprodukten, erwies sich als segensreich.
Medizinisch exakt müssen die Begriffe Serum und Plasma voneinander getrennt werden: Serum ist im Gegensatz zum Plasma frei von Fibrinogen und somit nicht gerinnungsaktiv. Ansonsten enthalten beide Blutbestandteile die gleichen Inhaltsstoffe – mit Ausnahme von Zellen wie rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen.
Im Einklang mit dem Behringschen Prinzip könnten (neutralisierende) Antikörper gegen SARS-CoV-2 den Erkrankungsverlauf bei COVID-19 günstig beeinflussen.
Cochrane Deutschland hat jüngst betont, dass es keine ausreichende Evidenz zugunsten dieser Therapieoption geben würde.
Zwischen dem 14.02. und 01.4.2020 wurden an sieben Zentren in Wuhan, China, 103 Patientinnen und Patienten mit gesicherter COVID-19-Erkrankung per Zufall entweder einer Therapie mit Rekonvaleszenten-Plasma oder einer Standard-Behandlung zugeteilt (siehe Jama Network).
Die Studie wurde, wie auch vorausgegangene Untersuchungen, vorzeitig abgebrochen, da aufgrund der strikten nationalen Containment-Strategie die Erkrankungsfälle so stark zurückgingen, dass keine geeigneten Teilnehmer mehr rekrutiert werden konnten.
Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmer betrug 70 Jahre, 60% waren Männer. Der primäre Endpunkt war die Besserung um zwei Punkte auf einer Sechs-Punkte-Skala von 6 = Tod, 5 = Mechanische Beatmung oder ECMO hin zu 1 = Entlassung aus der Klinik (ohne Symptome).
Nach zwei und vier Wochen Nachbeobachtung zeigten die mit Rekonvaleszenten-Plasma behandelten Teilnehmer in dieser Studie klinisch vorteilhaftere Ergebnisse gegenüber denjenigen Teilnehmern unter einer Standardbehandlung. Aufgrund der eingeschränkten Fallzahl ist die ursächlich durch die Plasma-Transfusion bedingte Wahrscheinlichkeit einer Genesung jedoch mit Unsicherheit behaftet und auch nicht ohne Weiteres auf zukünftige Patientenstichproben übertragbar.
Patientinnen und Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen (Hazard Ratio [HR] 2,15, 95% KI 1,07-4,32), nicht hingegen diejenigen mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung (HR 0,88, 95% KI 0,30-2,63) profitierten von einer Plasma-Behandlung, so dass diese möglicherweise so früh wie nur möglich angewandt werden muss. Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse in der Plasma-Gruppe war mit 2 / 52 gering und therapeutisch beherrschbar.
Fazit
Die historische Behringsche „Serum-Therapie“, also die passive Immunisierung mit Antikörpern, könnte schwere COVID-19-Verläufe mildern. Es bedarf jedoch weiterer Untersuchungen, um deren Wirksamkeit und Sicherheit zu beweisen.
(Stand: 16.06.2020)