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Remdesivir

Die erste randomisierte Studie zum Ebola-Medikament Remdesivir zeigte keinen klaren Vorteil der Substanz gegenüber einer Schein­therapie (Placebo) – die Unter­suchung weist jedoch zahlreiche Unschärfen auf, die die Inter­pretation der Daten erschweren.

Das chinesische Forscherteam um die Professoren Chen Wang und Bin Cao, welches vor knapp sechs Wochen die erste randomisierte Studie zur Therapie von COVID-19 mittels des HIV-Medikaments Ritonavir-Lopinavir im New England Journal of Medicine veröffentlichte, legt mit der aktuellen Arbeit im Lancet nun auch die ersten Daten aus einer Schein­therapie- / Placebo-kontrollierten Studie zum Ebola-Medikament Remdesivir vor. 

Zwischen dem 6. Februar und dem 12. März 2020 wurden in zehn Kranken­häusern in Wuhan 237 von 255 Erkrankten mit einem mittleren Alter von 65 Jahren per Zufall in einem 2:1-Verhältnis entweder einer intravenösen Gabe von Remdesivir (158 Patienten) oder Placebo-Infusionen (79 Patienten) über zehn Tage zugeteilt. Die Teilnehmer boten insgesamt ein eher moderates Krankheitsbild: Lediglich 23 waren im gesamten Verlauf beatmungs­pflichtig.

Die Zeit vom Studien­einschluss bis zur klinischen Besserung (gemessen als Besserung um wenigstens zwei Punkte auf einer Schwere­grad­skala von 1 = Entlassung(sfähig) bis 6 = Tod) unterschied sich zwischen Remdesivir und Placebo nur unmerklich (21 bzw. 23 Tage). Numerisch war nach 28 Tagen ein höherer Anteil von Patienten in der Remdesivir- als in der Placebo-Gruppe klinisch gebessert (65% im Vergleich zu 58%) – diese Differenz ist jedoch mit dem Zufall vereinbar.

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Würde man die Studie 100 Mal wiederholen, könnte in 95 Fällen ein Therapie­effekt zwischen 6% zugunsten von Placebo bis 21% zugunsten von Remdesivir beobachtet werden. Insgesamt 32 Patienten verstarben, davon 15% in der Remdesivir- und 13% in der Placebo-Gruppe. Eine innerhalb von zehn Tagen nach Symptom­beginn begonnene Remdesivir-Behandlung könnte mit etwas günstigeren Ergebnissen verbunden sein als bei einer verzögerten Therapie­einleitung. Die Remdesivir-Infusion musste aufgrund schwerer unerwünschter Arznei­mittel­wirkungen bei 18 Patienten (12%), davon in 7 (5%) der Fälle durch Atem- bzw. akutes Lungen­versagen vorzeitig abgebrochen werden.

Der Erfolg der strengen Ausgangs­beschränkungen in Wuhan zur Eindämmung der Pandemie wurde dem Forscherteam und der klinischen Prüfung zum Verhängnis: Die ursprünglich geplante Fallzahl von 453 Patienten (302 in der Remdesivir und 151 in der Placebo-Gruppe) konnte aufgrund der stetig sinkenden Krankheits­last nicht mehr erreicht werden, so dass das unabhängige Sicherheits­gremium den vorzeitigen Stopp der Studie empfahl. Dies führt zur starken Unsicherheit und Schwankungs­breite der statistischen Ergebnisse. Methodisch etwas unzulässig, aber vielleicht anschaulich: Dadurch, dass nur etwa die Hälfte der geplanten Patienten­zahl untersucht wurde, verdoppelte sich der sogenannte Fehler II. Art (der Fehler, einen tatsächlich vorhandenen Therapie­effekt fälschlich zu übersehen, entsprechend einem Feuermelder, der keinen Alarm schlägt, obwohl es brennt), von ursprünglich 20 auf 40%. Es bleibt damit unklar, ob die beobachtete höhere klinische Besserungs­rate von 7% mit Remdesivir 28 Tage nach Studien­einschluss nicht doch wahr sein könnte – in diesem Falle würde etwa jeder 14. Patient von einer Therapie mit dieser Substanz profitieren.

Tatsächlich erhielten die Patienten zusätzlich auch zahlreiche andere potenziell gegen SARS-CoV-2 aktive oder stark antientzündlich wirkende Medikamente sowie deren Kombination  so z.B. Ritonavir-Lopinavir in 67 (28%), Interferon alpha-2b in 76 (32%), Glucocorticoide in 155 (66%) und verschiedene Antibiotika in 215 (91%) Fällen. Die möglichen Mischeffekte und Arznei­mittel­wechsel­wirkungen machen es trotz der Placebo-Kontrolle schwer, den ursächlichen Beitrag von Remdesivir auf einzelne Krankheits­verläufe zu bestimmen. 

Fazit

Die chinesischen Kolleginnen und Kollegen haben mit einer methodisch gut angelegten Untersuchung erstmals klinische Ergebnisse zur Behandlung von SARS-CoV-2-Infektionen bzw. COVID-19 mit dem Hoffnungs­träger Remdesivir präsentiert. Die eher enttäuschenden Ergebnisse könnten durch den vorzeitigen Studienabbruch und die hierdurch bedingte kleiner als geplante Fallzahl und die gleichzeitige Gabe anderer potenter Arzneimittel bedingt sein. Der Direktor des US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), Dr. Anthony Fauci, kündigte in einer Presse­konferenz bereits sehr viel günstigere Ergebnisse mit Remdesivir in einer gerade abgeschlossenen nord­amerikanischen Studie an, deren Resultate abgewartet werden müssen.

Stand: 05.05.2020