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Tocilizumab

Eine weitere Strategie besteht in der Gabe von Pharmaka, die spezifisch gegen bestimmte Entzündungs­mediatoren und ihre Rezeptoren gerichtet und üblicherweise zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen zugelassen sind. Hierzu gehört u.a. der rekombinante monoklonale Antikörper Tocilizumab, der den Rezeptor des entzündungs­auslösenden Interleukins 6 (IL-6) blockiert.

Die Wirksamkeit von Tocilizumab bei COVID-19-Erkrankten wird in internationalen randomisierten Studien wie z.B. RECOVERY geprüft. Bevor die Ergebnisse dieser Studien vorliegen, ist es wichtig, bisherige Erfahrungs­werte zu sondieren. In Lancet Rheumatology wurden kürzlich die Ergebnisse einer Propensity-Score-gepaarten (und damit quasi-randomisierten) Untersuchung zur Wirksamkeit von Tocilizumab in den 13 Kliniken des Hackensack Meridian Health Network im US-Bundesstaat New Jersey veröffentlicht (The Lancet). Diese beruhte auf Daten von Patientinnen und Patienten ≥18 Jahre mit gesicherter SARS-CoV-2-Infektion und Notwendigkeit der Behandlung auf einer Intensivstation.

Zwischen dem 01.03. und 22.04.2020 wurden 764 von insgesamt 3.438 COVID-19-Erkrankten mit den Eingangs­kriterien behandelt. Von diesen erhielten nach der statistischen Matching-Prozedur 210 Tocilizumab, 420 eine Standard­behandlung. Es handelte sich in 70 % der Fälle um Männer, die Alters­spanne reichte von 53 bis 74 Jahren. 45 % erhielten nicht näher spezifizierte Steroide. Trotz Matching erhielten statistisch überzufällig mehr Patientinnen und Patienten in der Tocilizumab-Gruppe Hydroxychloroquin, Azithromycin, oder deren Kombination. Auch die IL-6-Konzentration im Blut war in der Tocilizumab-Gruppe weitaus höher. Dies galt auch für D-Dimere, einen Indikator für das Vorhandensein von Blutgerinnseln. Die Sterblichkeit in beiden Gruppen war außergewöhnlich hoch (102 / 210 [49 %] in der Tocilizumab- und 256 / 420 [61 %] in der Standard­therapie­gruppe). Die multivariate Analyse mit zwei verschiedenen Ansätzen legte nach Adjustierung für verschiedenste demografische und therapeutische Variablen einen hoch­signifikanten Überlebens­vorteil durch eine Tocilizumab-Behandlung nahe – das zeit­abhängige relative Sterberisiko (Hazard Ratio, HR) wurde um 29 % reduziert (HR 0,71, 95 % KI 0,56 – 0,89, p=0.0027, Abbildung 1).

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Abb. 1    Überlebenszeitanalysen (Kaplan-Meier-Methode, (nach The Lancet).

Fazit

Der monoklonale Antikörper Tocalizumab, der zur Behandlung verschiedener rheumatischer Erkrankungen zugelassen ist, könnte zur Abwendung eines „Zytokin-Sturms“ bei schweren COVID-19-Verläufen beitragen und damit deren Sterblichkeit reduzieren. Die Ergebnisse aus randomisierten Studien wie RECOVERY bleiben abzuwarten, um zwischen Nutzen und Risiko abwägen zu können.

(Stand: 11.09.2020)